Frankenfahne in Bolivien?!

Ja tatsaechlich, so scheint es, denn auch das Ayopayaland hat die Farben Rot-Weiss zu seiner Representation erkoren. Und nicht nur das, auch das Colegio Boliviano-Aleman unter der Leitung unserer Schwester Verena glaenzt in diesen Farben.

Abgesehen davon traegt hier aber alles dazu bei – eigentlich sowieso nicht vorhandenen – Provinzpatriotismus oder gar Nationalstolz abzubauen. Schliesslich bin ich hier an einem Ort gelandet mit einfach wunderbaren Menschen, in dem man sich so richtig wohl fuehlen kann.

Zwei Monate sind wir jetzt schon in Bolivien, und haben erlebt, dass wohl jeder, der glaubt Independencia sei nichts als ein kleines verschlafenes Doerfchen, einem fatalen Irrtum unterliegt.  Zwar findet jeder Besucher zunaechst zu den beschreibenden Worten: „Muy tranquilo! Muy tranquilo!“ welchen man den Wahrheitsgehalt auch nicht absprechen kann. Jedoch, die Provinzhauptstadt Ayopayas hat zudem noch einiges an Festen und Veranstaltungen zu bieten, die sich gut und gerne sehen lassen koennen!

Fast jede Woche fand irgendetwas Aussergewoehnliches statt, denn die Zeit vor Schuljahresschluss ist wohl immer besonders „heiss“… – fuer uns Voluntarias natuerlich die perfekte Gelegenheit viel kennenzulernen und zu erleben! Das ging ueber den Geburtstag Cochabambas, bei dem das ganze Dorf marschieren musste (selbst wir mit unseren Kindergartenkindern…) bis hin zum Tag des Schuelers, bei dem die Lehrer Sketsche oder Taenze auffuehren mussten und es Torte fuer alle gab (fehlt uebrigens ganz eindeutig bei uns!!!), der Olympiade der Schulen, den beeindruckenden Ausstellungen der Schuelerarbeiten (sogar Instrumente koennen sie selbst bauen!!!) , Kommunion, Konfirmation, der Presentation von sportlichem Koennen, einem Ausflug mit dem Kindergarten, dem Besuch von Landschulen mit der Schwester, ein ganz anderes Allerheiligenfest usw. Es ist tatsaechlich bereits so viel, dass ich gar nicht alles aufzaehlen, geschweige denn genau davon berichten kann!

Doch natuerlich gibt es auch hier die Routine und das alltaegliche Leben. Dieses sieht bei mir im Moment so aus, dass ich morgens im Kindergarten bin, was im Grunde schon so etwas wie eine Vorschule ist, da die „Professoras“ jeden Tag ein wenig Unterricht halten. Die Groessten lernen da schon das Alphabet, die Zahlen bis 100 und es werden z.B. Tiere oder Berufe besprochen. Nachmittags habe ich frei, aber abends gehe ich noch einmal fuer drei Stunden in die „Puerta Abierta“, eine Art Spielstube, in die die Schueler nach Klassenstufen geordnet kommen duerfen. Eine ziemlich gute Sache, denn an Spielsachen fehlt es hier ziemlich, selbst im Kindergarten… So kommen dorthin also selbst „grosse“ Jungs von 14-15 Jahren, und haben ihren Spass am Puzzeln, Huetchenspiel, UNO oder selbst Baukloetzen. Die Samstage sind allerdings verschieden. Da haben wir z.B. schon beim Kirchenputzen geholfen, Telefondienst gehabt oder mit den Maedchen gehandarbeitet.

Gehandarbeitet wird hier sowieso viel – jeden Abend, manchmal nachmittags und Samstag und Sonntag sogar mehrmals am Tag. Mir gefaellt das, wiel man dabie echt viel lernen kannn. Zum Einen natuerlich laengst vergessenes Haekeln, Stricken, Sticken usw., zum Anderen Spanisch… und obendrein macht es noch viel Spass bei den Maedchen zu sein! Die sind naemlich alle total lieb, und haben einen Glanz in den Augen, den ich von Deutschland her nur bei wenigen Leuten kenne. Genauso sind auch die KIndergartenkinder, einfach lieb, und vielleicht weil sie alle viele Geschwister haben und ueberhaupt das Leben hier fuer sie nicht einfach ist, sind sie ueberhaupt nich heulerig. Ganz oft steh ich da und denk mir, dass doch in der Situation jedes deutsche KInd losheulen wuerde, auch wenn es nur vor Schreck ist, hier aber stehen sie auf und weiter gehts!

Abends merken wir dann aber doch, dass wir hier in einem Dorf sind. Denn die Abende verbringen wir meist ruhig mit der Schwester, unserem Nachtwaechter und dem Religionslehrer im „Living“- einer Art allgemeinem Wohnzimmer. Auch eine gute Gelegenheit zum Spanisch lernen, denn dann werden wir immer noch ueber weitere Tagesgeschehnisse Independencias aufgeklaert…(!) und es wird gescherzt. Dauerbrenner sind da z.B. die „Vuelitas para Jesús“ (Umdrehungen fuer Jesus), die gewisse Sektenmitglieder zu gewissen Zeiten oben im Dorf vollfuehren, oder vor Allerheiligen die „Almas“ (Seelen), die uns in Form von Nachfaltern besuchten…!

Da wir aber ja in einem Sozialzentrum leben, haben wir sogar die Chance auch einige der vielen schlimmen Schicksale hier kennenzulernen. Denn einmal im Monat kommen zu uns die ausgewaehlten Aermsten der Doerfer und erhalten etwas Geld und Lebensmittel. Das sind vor allem alte Menschen, aber auch Witwen/Witwer mit vielen Kindern oder auch Kranke. Es ist aber sehr wenig, was sie erhalten, und fuer mich bleibt es trotzdem unvorstellbar wie d.h. auf welche Art sie dann leben muessen. Mir geht es hier ja unglaublich gut, und die Menschen sind alle so freundlich, dass man manchmal vergessen kann, mit welsch schlimmen Problemen sie eigentlich zu kaempfen haben.

Im Grunde bleibt mir nur, unendlich dankbar dafuer zu sein, hier sein zu duerfen, dieses Geschenk anzunehmen, um dann zu versuchen mit den winzigen Troepfchen, die mir vielleicht moeglich sind , dieses undendlich langsame Wasserrad der Veraenderung irgendwann ein wenig anzutreiben.

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